Mein Freund E. aus A. hat eine Weltreise gemacht. Allein. 3 Monate. Erst nach Asien, dann nach Südamerika. Viel Welt in kurzer Zeit. Im Gepäck Notizbücher und Stifte. Wie viele Reisende vor, mit und nach ihm hat er auf der Reise seine Eindrücke sprachlich verarbeitet und verdichtet. Anrührende Porträts sind entstanden, kenntnisreiche Beschreibungen besonderer Orte.
Doch während er als geübter Schreiber zwar Spaß hat am Fabulieren und Formulieren, fehlt ihm etwas. Es fehlt ihm ein emotionalerer Zugang. Zu viele Eindrücke, die ihn im Laufe eines Tage bestürmen und die bewältigt sein wollen; insbesondere da er allein unterwegs ist und niemanden an seiner Seite hat, um die Erfahrungen zu teilen. So entwickelt er eine Methode, die schon bald zum täglichen Ritual gehört: das intuitive Tagebuch.

Vor dem Einschlafen nimmt er sich ein paar Minuten Zeit, um den Tag an sich vorbeiziehen zu lassen. Gesichter, Begegnungen, Geräusche, Gerüche, Landschaftseindrücke, Überraschungen, Empfindungen, Stimmungen. Der Ablauf ist immer gleich: atmen, innehalten und dann den Stift auf ein quer liegendes Din A4 Blatt von links nach rechts laufen lassen. Wie ein Seismograph wandert der von seiner linken Hand geführte Stift über die Papierfläche. Sie hinterlässt Linien, Schraffuren, Kringel, Schlaufen – je nach Stimmung dieses spezifischen Tages. Nur er kann die Zeichen dechiffrieren, nur in ihm tauchen die der Skizze zugehörigen Bilder auf, als wären es Sequenzen eines Films, den nur er sehen und verstehen kann.
Man kann die Methode natürlich auch ohne Weltreise anwenden. Vielleicht habt Ihr ebenfalls ausgefallene, eigene Methoden des Tagebuchschreibens? Her damit!!

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2 Antworten
  1. Udogi-Sela sagt:

    Hallo Angelika,

    das ist ja wirklich eine ausgefallene Art Tagebuch zu „schreiben“. Quasi eine Geheimschrift, zu der kein anderer Zugang hat als der „Kringler“ selbst. Persönliches Steno sozusagen. Gefällt mir sehr.

    Weniger ausgefallen ist mein „Bild des Tages“. Die heutigen Digitalkameras sind klein, man kann seine immer dabei haben und Bilder machen soviel man will. Hin und wieder mache ich den ganzen Tag über Aufnahmen und suche dann am Abend mein „Bild des Tages“ aus. Das kommt dann mit entsprechendem Text ins Tagebuch… Allerdings habe ich es noch nicht geschafft, das konsequent jeden Tag über eine längere Zeit (ein Kalenderjahr) durchzuziehen.

  2. Angelika sagt:

    Bild des Tages ist – vor allem für Erinnerungszwecke – auch toll. Ich versuche mich neuerdings mit meinem smartphone auf momento. Knapper Text und 1-2 Fotos. Analoges Schreiben natürlich nach wie vor auf Papier!

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