(Anmerkung von Christian: den Artikel hat Angelika schon Ende Juli geschrieben, aber ich habe ihn erst jetzt ins Blog bringen können. Entschuldigt!).
Stau auf der A24. Nichts geht mehr. Die Menschen steigen aus, vertreten sich die Beine. Sie erleichtern sich in den Büschen, sie zücken ihre Mobiltelefone und Smartphones. Alle sitzen wir auf dem Asphalt fest, natürlich ohne zu wissen, warum und wie lange. Irgendwann lege ich mein Handy zur Seite und greife mir mein Notizbuch. Dann schreibe ich mir eben den Stau schön!
Ich zähle die Wolkenschichten, die wie von Bühnenbildnern gestaltet auf der Himmelsbühne ihre Bahnen ziehen. Vor den Schichten graue Schleierquallen, begleitet von weißen Schafen. Dahinter lichtblaues Strahlen ohne Anfang und ohne Ende. Ein unterhaltsames Spektakel, kostenlos inszeniert für ein gleichgültiges Publikum.
Meine Gedanken wandern: was wäre, wenn… ? Also was wäre, wenn alle ihre elektronischen Spielzeuge zur Seite legten und ihr Heft oder Buch zückten? Was wäre, wenn in den Autos und auf den Leitplanken die Gedanken, so kraus sie auch wären, zu Papier flössen? Was wäre, wenn sich über die A24 zwischen Grande und Witzhave ein Hauch von Poesie legte? Ein kollektives Staunen über die Geschehnisse auf der Himmelsbühne, ein Ahnen oder Sehnen, ein Erwachen oder Innehalten? Ein kurzer Moment von Glückseligkeit auf der A24? Was wäre, wenn…
[…] “Der Kölner Verkehrspsychologe Gerd Pfeiffer plädiert deshalb dafür, Autofahrer gezielt darin zu schulen, sich mit dem Ohnmachtserlebnis Stau zu arrangieren“ […]
(SZ, 30.7.2011)
Wer es noch nicht gemerkt hat: dieser Beitrag war eine Schulung in Staubewältigung …
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Danke! Habe es leider erst heute Morgen gelesen, soll heißen, zwölf Stunden nach dem Stau. Liegt es in der Natur dieser Gedankengänge, dass Sie erst zeitverzögert auftauchen, so als seien sie unterwegs in einen Stau gekommen? …
Thomas
Ich habe das 2006 tatsächlich mal gemacht. Das Gedicht schlummerte noch auf einer externen Festplatte.
Autobahnpoesie
Nächtliche Sintflut
weicht der Morgensonne,
Wolkenberge, aufgetürmt
von Dunkelgrau bis strahlend Weiß
reißen auf für einen Himmel
von unnatürlich klarem Blau.
An den nahen Taunushängen
leuchten feuchte rote Dächer,
Sonnenstrahlen lassen
Glasfassaden glitzern.
Nur Eines stört mich wieder mächtig:
der Stau auf der A 66.
©EHeinze
Liebe Grüße
Elke
Das ruft direkt nach einem Buch mit Staupoesie! Wer weiß, wie viele Menschen sich schreibend entlasten im Stau??
Aber auch dieses Buch wird im Schreibstau sehr viel Zeit verbringen…