Archiv für » Dezember 4th, 2013«

Techcrunch berichtet in Google’s Cerf Says “Privacy May Be An Anomaly”. Historically, He’s Right. über diverse Äußerungen von Vinton Cerf (Wikipedia). Er sagt, dass der Begriff der Privatsphäre und Privatheit historisch gesehen ein sehr neues soziales Phänomen ist. Da mag er ja Recht haben. Aber die Errungenschaft der Privatsphäre als Anomalie zu bezeichnen, deutet darauf hin, dass er es als normal empfindet, wenn es keine gibt.
Die Aussage irritiert mich. Unglücklicherweise stößt der Autor des Artikels ins gleiche Horn und vergleicht das Dorf, in dem er aufgewachsen ist, ebenfalls mit dem sozialen Aspekt der Privatsphäre. Dabei kommt er zu einem erstaunlichen Schluss:

[…] The more sustainable solution maybe to rekindle the social norms we had around tolerance. Like Cerf, I lived in a small town (in Brazil); knowing everything about everyone else isn’t the end of the world. In some ways, it’s beneficial. We often suffer alone unnecessarily.
Perhaps, there is something in our history that can help us adapt to a life that is, once again, radically transparent. […]

Das Schlimme daran ist die Tatsache, dass im Artikel so leichtfertig mit verschiedenen Graden und Arten von Privatsphäre umgegangen wird; sie werden gar gleich gesetzt. Wenn ich in einem kleinen Dorf lebe, in dem die geringe Privatsphäre sich in dem öffentlichen Wissen äußert, wann ich in welcher Kneipe war (und der Rest meines Lebens vielleicht verborgen bleibt), dann ist das eine Sache. Dann kann ich zum einen dem Dorf entkommen (und meine Privatsphäre damit schützen) und zum anderen hat das Wissen nicht die ganze Welt.
Wenn aber Google „Evangelisten“ so ein Zeug reden, dann geht es um öffentliches Wissen über mich, dem ich nicht mehr entkommen kann, das global bekannt ist, das von Leuten, von denen ich nicht weiß, was sie über mich wissen, missbraucht werden kann. Und noch schlimmer: das Wissen über mich kann automatisch (d.h. maschinell) mit anderem Wissen verknüpft werden. Das ist eine völlig andere Dimension als die Geschichten in dem kleinen Dorf.
Bin ich da etwas zu kleinlich? Oder ist der Autor des Artikels naiv? Und dass Cerf mit dem folgenden Satz gerade noch mal die Kurve zu kriegen versucht, macht seinen „Anomly“-Spruch auch nicht besser:

[…] “So I’m not saying that we shouldn’t be interested in privacy, but I am suggesting to you that it’s an accident, in some respect, of the urban revolution,” concludes Cerf. […]

Will heißen: auch wenn ich (Cerf) Privatsphäre als „Anomalie“ bezeichne, müssen wir (denke: Google) natürlich dennoch daran interessiert sein. Natürlich.

Ich bin wahrlich kein paranoider Mensch. Aber wenn ich solche Äußerungen von Leuten lese, die auf Petabytes an Daten sitzen, dann wird mir schummrig. Mit wäre lieber, wenn jemand die Geschichte der Privatsphäre als Anomalie bezeichnen würde und die Errungenschaften von heute als endlich erreichten Standard – wenn auch nicht Idealzustand. Dann würde man wenigstens an der Aussage ein Denkmuster erkennen, das eine gute Richtung erkennen ließe.

Mein analoges Notizbuch wird garantiert privat bleiben. Auch wenn damit nur ein geringer Teil meiner Privatsphäre abgedeckt ist.

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Für unter 5 EUR gibt es 20 Sterne. Tolle Upcycling-Idee wie ich meine!

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