Leserin Iris macht mich auf die Literaturbeilage der aktuellen Ausgabe der ZEIT aufmerksam. Darin wird das Thema Tagebuch ausführlich behandelt und Schriftsteller werden zu ihren Gewohnheiten mit Tagebüchern befragt: Wer bin ich, und wenn ja, wie viel schreibe ich davon auf?. Dazu gibt es den Artikel Tagebücher – Alibi der Wirrköpfe oder Heimat der Wahrhaftigen?, in dem darüber nachgedacht wird, ob Inhalte von Tagebüchern wahrhaftig sind.
In den Interviews / Berichten sind einige sympathische Begründungen zu finden, wie etwa die von Martin Mosebach
Ist es nicht tatsächlich eine geradezu unsittliche Verschwendung der Lebensfülle, die unübersehbare Zahl von Ereignissen und Gedanken, von Gesprächen und Eindrücken, Fundstücken und Erfindungen, die jedenfalls den Alltag eines zur Wahrnehmung trainierten Menschen ausmachen, einfach verrauschen und versinken zu lassen, ohne wenigstens einen kleinen Teil davon schriftlich fixiert zu haben?
Dabei gibt er zu, durchaus faul zu sein, was das Führen des Tagebuchs angeht. Das kann man von Hanns-Josef Ortheil nicht behaupten. Er hat nach eigener Aussage wohl 1000 Kladden vollgeschrieben, da er seit seinem achten Lebensjahr alles detailliert festhält:
Die täglichen Aufzeichnungen waren daher Versuche, alles, was ich sah und hörte, festzuhalten und zu speichern. Ab und zu las ich Teile meiner Aufzeichnungen durch und war jedes Mal etwas berauscht von der Fülle all dessen, was ich registriert hatte und ohne dieses Registrieren hoffnungslos für immer vergessen hätte.
Ich bin mir sicher, dass jedes Notizbuch automatisch ein Tagebuch ist – ob man das will oder nicht. Jede Aufzeichnung dokumentiert das eigene Leben: Ideen, Prosaeinträge, Aufgabenlisten, Protokolle, Zeichnungen, etc. . Schriftsteller haben natürlich eine ganz eigene Herangehensweise an Tagebücher und setzen sie sicher auch anders ein.
Wenn ihr selbst ein Tagebuch führen wollt, kann ich nur empfehlen, euch damit nicht unter Druck zu setzen: Man muss kein explizites Tagebuch führen, etwa jeden Tag im Prosastil Gedanken festhalten. Schreibt, wann ihr Lust dazu habt. Schreibt, was ihr wollt. Mischt eure klassischen Tagebucheinträge direkt mit Aufgabenlisten und Zeichnungen und Ideenskizzen. Nummeriert eure Notizbücher und ihr erhaltet eine chronologische Dokumentation eurer schriftlich festgehaltenen Gedanken.
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