Dringende Warnung an alle Menschen, die ein Tagebuch führen und persönliche Erlebnisse und Erfahrungen – was denn sonst? – da rein schreiben!
Wer unschöne Flecken auf seiner weißen Lebensweste aufweist, wer eine Person von öffentlichem Interesse ist, wer außerdem mehrere Kinder hat und sein Tagebuch achtlos den Nachkommen überlässt, der sorgt möglicherweise für Ärger unter denselben.
So geschehen im Haus Filbinger. Die Tochter findet, so heißt es im Vorwort ihres Buches Kein weißes Blatt: Eine Vater-Tochter-Biografie (Werbelink), Campus Verlag , die Tagebücher ihres Vaters beim Ausräumen des Elternhauses. Was tun damit? Entsorgen oder literarisch verarbeiten?
Wen würde es nicht in den Fingern jucken, die persönlichen Aufzeichnungen des eigenen Vaters, gar eines Mannes mit braunen Flecken auf seiner Weste, zu lesen und sich daran abzuarbeiten? Welche Tochter, welcher Sohn bekommt posthum noch einmal die Chance, ein Elternteil auf diese Weise zu begreifen?
Wehe aber, wenn die Geschwister über die Persönlichkeitsrechte des Vaters uneins sind, wenn sie nicht im Vorwege klären können, wo die Rechte anfangen und wo sie aufhören. Laut derzeitiger Rechtslage gehören die Tagebücher allen fünf Kindern, so mussten die wörtlichen Zitate aus dem Buch entfernt werden (Stuttgarter Zeitung vom 26.04.13) und am 2. Mai war Erscheinungstermin der korrigierten Fassung.
Zurück zur Warnung: solltet ihr Ärger unter euren Nachkommen vermeiden wollen, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Verbrennen
- Dem Deutschen Tagebucharchiv übereignen (http://www.tagebucharchiv.de)
- Testamentarisch bestimmen, was wer damit tun darf und was nicht
- So unspektakulär leben und schreiben, dass niemand sich je für eine Veröffentlichung interessieren wird
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Tja, darum schicke ich meine Tagebücher auch ans Deutsche Tagebucharchiv. Die Vorstellung, dass meine Verwandtschaft sie in die Hände bekommt, graust mich, aber vernichten könnte ich sie auch nicht. Und wenn ich nur nur Unspektakuläres schreiben würde, könnte ich es auch gleich ganz lassen.