In der Blogfreien Zeit bin ich ein bisschen mehr als sonst zum Lesen gekommen, was natürlich auch an den freien Tagen lag. Ich habe zu Weihnachten das Buch „Ohne Netz: Mein halbes Jahr offline“ von Alex Rühle geschenkt bekommen. Rühle ist Journalist bei der Süddeutschen Zeitung und hat ein halbes Jahr auf Handy und Internet verzichtet. Komplett und konsequent. Das Buch hat mich sehr zum nachdenken angeregt, weil ich mich  – und ich glaube vielen Menschen geht es so – in manchen Verhaltensweisen gut wiedererkannt habe.  Ich bin zwar kein Mensch, der nicht mehr von Hand schreibt, aber auch ich ertappe mich dabei, wie aus „Nur mal schnell was im Internet gucken“ rasant Stunden werden. Rühle hat damit Schluss gemacht und führt uns vor Augen, wie mühsam ein Leben offline ist. Als Journalist fällt ihm das vielleicht doppelt schwer, weil er permanent auf die Auskunft anderer angewiesen ist und es nicht einfach ist, ohne Internet den richtigen Ansprechpartner zu finden.

Rühle ist konsequent, entschleunigt seine eigene Zeit und greift wieder zu Papier und Stift: Er steht um fünf Uhr auf und führt wieder Tagebuch. Ganz einfach Tagebuch, so wie er es früher getan hat.  Und er schreibt Briefe und Postkarten. Aber im Berufsleben stößt er an seine Grenzen und ist auf die Hilfe seiner Kollegen angewiesen.

In seiner Begegnung mit einem Inhaftierten, der tatsächlich intensive Entzugserscheinungen nach Abgabe seines Blackberrys eindrücklich schildert, wird dem Leser mehr und mehr bewusst, welche Folgen die  Vernetzung der heutigen Zeit  hat.  Der Soziologe Rosa verweist im Interview auf die unermesslich angewachsene Termindichte, befördert durch ständige Erreichbarkeit und Vernetzung und sieht sich einer allgemeinen „Temporalinsolvenz“ gegenüber.
Daraus resultiert eine Unruhe, von der Rühle mit Humor und Ironie berichtet.  Dahinter verbirgt sich aber mehr: eine Sucht. Rühle reflektiert seine Einstellung zum Internet und beobachtet, wie auch seine Kollegen stundenlang am Internet festhängen.  Rühle  reflektiert nicht nur seine Einstellung zum Internet, sondern auch die der Anderen. Das Blackberry ist schon längst zu einem Crackberry geworden, ein Suchtmittel. Doch welche Sucht wird gestillt? Sind wir wirklich nur so lange im Netz, weil wir es müssen oder etwa doch, weil wir hier hängen bleiben?

 

Ohne Netz: Mein halbes Jahr offline
(Werbelink), knapp 9 EUR

 

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