Neulich war in der FAZ mal wieder ein Artikel („Hinter der Mauer des Schweigens“, 03. Juni 14) über die Marktmacht amazons und wie amazon selbst größte Verlage erpresst. Der Vorschlag zur Lösung des Problems im Artikel war, amazon zu zerschlagen. Ich bin mir nicht sicher, ob das die Lösung des Problems ist. Das sind alte Mittel aus Zeiten, in denen es keine digitale Ökonomie gab, die anderen Gesetzen folgt. Ich hätte eine anderen Lösungsvorschlag.

Doch vorher wäre zu klären, was das Problem ist? Aus der Lektüre vieler Artikel online wie offline werden in meinen Augen im Zusammenhang mit amazon immer wieder folgende Probleme genannt:

  • amazon zerstört die Verlage, weil es sie derart erpressen kann, dass sie zu unfairen Konditionen ihre Bücher über amazon verkaufen müssen
  • amazon zerstört die Vielfalt des Buchmarktes, da amazon selbstherrlich Autoren auf Schwarze Listen setzt, um u.a. die Verlage damit zu erpressen. amazon bestimmt also die Auswahl der angebotenen Bücher und bestimmt damit, was wir lesen und was nicht.
  • amazon sammelt Daten über uns und kann unser Einkaufsverhalten bestimmen / steuern / verkaufen
  • durch die Querfinanzierung von sehr guten E-Book-Readern in Kombination mit querfinanzierten sehr günstigen E-Books ist man fast gewzungen, in das geschlossene amazon Ökosystem einzusteigen

Und gerade dieser letzte Punkt kann in meinen Augen die Stelle sein, an der man einhaken kann: das geschlossene Ökosystem. Mein Vorschlag wäre, dass man amazon lässt wie es ist, aber dass man amazon zu zwei Dingen zwingt:

  1. Man zwingt amazon (und auch jeden anderen Anbieter), den E-Book-Reader auch für andere E-Book-Märkte/-Anbieter zu öffnen. Damit wäre zumindest mal das Lesegerät und das Ökosystem zu einem Teil aufgebrochen und auch andere könnten die tolle Hardware für ihre Inhalte nutzen.
  2. Der zweite Teil meines Vorschlags ist schwieriger: da amazon als zentrale Einkaufsstelle und Produktsuchmaschine fungiert, müsste man es schaffen, Produkte in die Maschine zu bekommen, die amazon nicht anbieten kann / will / soll. Das ist technisch einfach, aber wirtschaftlich schwierig, denn damit würde man amazon zwingen, etwas zu verkaufen, was es gar nicht verkaufen will. Das geht dann doch zu weit. Man könnte das aber über einen Umweg erreichen: man zwingt alle E-Book- oder Buchanbieter, die online verkaufen, eine offene Schnittstelle zu unterstützen, die genormt ist. D.h. jeder Anbieter stellt eine identische technische Möglichkeit zur Verfügung, den Katalog zu durchsuchen und einen Einkauf zu tätigen. Der wandert dann online über den jeweiligen Kanal in den bereits in Schritt 1 „geöffneten“ E-Book-Reader und offline über den jeweiligen Logistikkanal des Verkäufers zum Kunden.

Was bringt das? Wie können die einzelnen Anbieter sich dann noch differenzieren? Das bringt erst einmal, dass Inhalte und Lesemedien verschiedener Händler kombiniert werden können. Etwa wie bei Lampen und Birnen: da sind die Schnittstellen (Fassungen) auch genormt. Da gibt es keine geschlossenen Systeme. Die Dominanz von amazon als Suchmaschine für Bücher wird dadurch aufgebrochen, dass es einfach wird, eine Metasuchmaschine über alle Anbieter zu bauen: denn sie sind ja gezwungen, alle eine offene und v.a. identische Suchmöglichkeit zu bieten.
Differenzieren und sich damit am Markt eine besondere Stellung erarbeiten können die Anbieter auf verschiedenen Wegen.

  • Hersteller und Verkäufer von Lesegeräten sind in Wettbewerb über die Qualität und die Ausstattung der Geräte, ggf. auch über den Preis. Das regelt wahrscheinlich „der Markt“.
  • Hersteller und Verkäufer von Offline-Produkten unterscheiden sich womöglich über die Qualität ihrer Logistik
  • Auch wenn alle technisch die gleichen Schnittstellen zur Suche haben, können sie sich in ihren Webseiten und mit Zusatzfunktionen in den Webseiten unterscheiden

Das Muster kann man auch auf andere Anbieter wie Apple anwenden – und vielleicht sogar für den Musikmarkt und den Verkauf von Musik – digital wie auf physikalischen Datenträgern (CDs). Ich habe das nicht alles im Detail durchdacht, finde die Idee aber spontan nicht abwegig.
Noch mal eine Zusammenfassung: man zwingt alle Anbieter sowohl Lesegeräte als auch Onlinesysteme mit offenen und genormten Schnittstellen auszustatten. Damit vermeidet man, dass es ein geschlossenes Ökosystem gibt, das so groß werden kann, dass man damit ein Quasimonopol konstruieren kann. Die offenen Schnittstellen führen dazu, dass die Leute, die ein Interesse daran haben, diese geeignet kombinieren können, um die oben beschriebenen Gefahrenpunkt etwas zu entschärfen. Das Vorgehen schränkt die unternehmerische Freiheit nicht zu sehr ein und hilft mit, den spezifischen Markt offen zu halten.

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3 Antworten
  1. Ich verstehe nicht – D.h. ich verstehe es schon, finde es nur unverschämt – warum man amazon zerschlagen will / soll. Amazon ist groß geworden, weil es die Dinge angeboten hat, die der klassische Buchhandel seinen Nutzern vorenthalten hat.Zu einer Zeit, in der bspw. Science Fichtion in Deutschland in der größten Aachener Buchhandlung nur stattfand, wenn sie auf einer Bestsellerliste auftauchte und Originalausgaben aus England oder USA 2-6Wochen Lieferfrist hatten und auf diesem Weg dreimal so teuer wurden, konnte ich bei Amazon einfach bestellen und hatte mein Buch innerhalb einer Woche im Briefkasten; (Damals war Amazon noch langsam) und zwar zum Originalpreis.
    Der Buchhandel und die Verlage haben sich ihr eigenes Grab geschaufelt und buddeln fleißig weiter daran.
    Bei eBooks ist es doch dasselbe Bild. Erst zum Sopielzeug für ein paar Nerds erklärt, dann zum vorübergehenden Trend und heute zum Untergang des christlichen Abendlands, daß lieb gewordene Geschäftsmodelle gefärdet.
    Konzerne wie amazon, Microsoft, Google, Facebook, Apple, usw sind groß geworden, weil sie die Dinge gemacht haben, die den etablierten Playern zu nischenmäßig und uninteressant erschienen. Sie haben Kundenwünsche erfüllt und tuen es auch heute noch, anstatt zu versuchen, die Kunden „zu erziehen“.
    Natürlich bestimmt Amazon, was ich auf dem Kindle lesen kann. Das ist aber nicht besonders tragisch, weil es fast Alles gibt, was ich lesen WILL.
    Außerdem muss ja niemand nach Amazonregeln spielen. Es gibt genügend andere Mglichkeiten. Aber da liegt für der Hase im Pfeffer. Ich unterstelle den jammernden Verlagen Eines: Sie wollen die bequeme Infrastruktur und die riesige Reichweite von Amazon nutzen, ohne sich dafür den regeln des Hauses beugen zu müssen. Die eierlegende Wollmilchsau auf Rollschuhen aka Wasch mir den Buckel aber mach mich nicht nass.

  2. Häbät sagt:

    Hi Christian.
    Die Idee ist gut – keine Monopolisten, keine Diktatoren, keine Lobbyisten, etc
    Des Rätsels Lösung ist so einfach wie unmöglich: schaffe die Gier und Machtgeilheit der Menschen ab und das Rätsel ist gelöst.
    Anders gesagt – Zitat Einstein: „Von zwei Dingen weiß ich, sie sind unendlich – das Univerum und die menschliche Dummheit. Bei ersterem bin ich mir aber nicht ganz sicher“.

    So long

    Häbät

  3. Silke sagt:

    Die Idee den kindle für andere ebook zu öffnen finde ich sehr gut da ich eh kein Freund von die Locks bin sei es nun bei den ebook readern oder diesen nervigen Ländercodes auf DVD

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