Seit August 2014 gibt es von mir keine Beiträge mehr. Warum? Ist schon alles gesagt zum Tagebuchschreiben? Rhetorische Frage, natürlich nicht! Aber mein Fokus hat sich verändert. Und wohin hat er sich verschoben? Seit August arbeite ich in einer onkologischen Rehaklinik als Psychologin. Ich begleite für jeweils 3-4 Wochen – also während der Rehabilitationsmaßnahme – Menschen, die durch eine Krebserkrankung mit ihrer eigenen Verletzlichkeit konfrontiert wurden. Viele von ihnen haben körperlich und seelisch schwere Zeiten hinter sich. Niemand geht nach einer Tumorerkrankung mir nix, dir nix zur Tagesordnung über. Auch wenn sich die Art der Krankheitsbewältigung von Person zu Person unterscheidet, tauchen in der Zeit der Regeneration Fragen auf, die weit über die Fragen nach Krankheit und Gesundheit hinausgehen. Oft stehen die großen Lebensfragen zur Disposition: Liebe, Familie, Arbeit, Freundschaften, Interessen, Ziele, Pläne. Was vor der Krankheit unhinterfragt für gut oder wenigstens halbwegs akzeptabel gehalten wurde, passt oft nicht mehr. Vor allem das Verhältnis zu sich selbst steht auf dem Prüfstand: wie gut sorge ich für mich? Wie deutlich respektiere ich meine Grenzen? Gehe ich überhaupt respektvoll mit mir um?
Auch eine rhetorische Frage. Die wenigsten Menschen haben einen liebevollen Umgang mit sich gelernt: sich selbst ermutigen, sich Anerkennung zollen, sich etwas zutrauen, sich entlasten, sich ernst nehmen, sich Zeit gönnen für sich selber, andere nur so viel lieben wie sich selbst? Meistens Fehlanzeige. Und jetzt führt kein Weg mehr daran vorbei. Wendepunkt und Neubeginn. Weiter wie bisher funktioniert nicht mehr. Das Leben nach einer Krebserkrankung muss neu justiert werden.
Genau dahin hat sich mein Fokus verschoben. Mich interessieren zunehmend die Möglichkeiten des Schreibens in dem Kontext von Neuorientierung und von therapeutischem Nutzen. Wie kann ein Tagebuch diesen Prozess unterstützen? Tja, und damit sind die Grenzen des Notizbuchblogs eindeutig erreicht. Wer von Euch möchte hier immer nur über Resilienz, Salutogenese, Ressourcenorientierung, Selbstwirksamkeit, Kohärenzsinn, Achtsamkeit usw. lesen?
Na also.
Sollten mir zwischendurch andere, vergnüglichere Themen vor die Füße fallen, will ich gern ab und an als Gast vorbeischauen, aber vom Tagebuchdienstag verabschiede ich mich an dieser Stelle und wünsche Euch allen ein wunderbares 2015! Schreibt an Euch, was das Zeug hält! Füllt die Notiz- und Tagebücher mit Gedanken, Gefühlen, Gedichten, Geschichten – und einem gelegentlichen Liebesbrief an Euch selbst J!
Angelika
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